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Die Verwendung von Digitalisaten im akademischen Unterricht: Pfarrberichte des Prager Erzbistums aus dem Jahr 1677 und ihre Edition

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Ein Zwischenresümee zum Editionsprojekt der Pfarrberichte von 1677 an der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität Budweis (Filozofická fakulta Jihočeské univerzity v Českých Budějovicích)

Von Marie Ryantová

Eines der bedeutenden Phänomene, die nicht nur zur böhmischen Geschichte gehören, stellt die Rekatholisierung bzw. die „katholische Reformation“ dar, die auch im europäischen Kontext relevant war. Die katholische Religion spielte vor allem in den politischen Plänen der Habsburger eine wichtige Rolle, da der Ansicht der habsburgischen Herrscher nach gerade der Katholizismus zur Ideologie werden sollte, die alle heterogenen Teile der Monarchie integrieren und somit die Voraussetzungen für das allmähliche Entstehen eines festen und zentralisierten absolutistischen Staates bilden würde. Diese habsburgisch-katholische Allianz sollte dann ein ausreichend starkes Gegengewicht zu den protestantischen Ländern Europas (in erster Linie zu Sachsen, später zu Preußen) bilden, aber auch zum orthodoxen Russland, und somit die Hegemonie über die übrigen europäischen – oder später zumindest mitteleuropäischen – Staaten anstreben. Die Habsburger erachteten die Rekatholisierung daher eigentlich bereits seit der Entstehung ihres Staatengefüges als eines der wichtigsten Ziele ihrer Politik. Neben den eigentlichen Besitzungen der Habsburger (Nieder- und Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Salzburg) wurde auch in den böhmischen Ländern die Rekatholisierung akzentuiert, wo seit der Hussitenrevolution, die im 15. Jahrhundert stattgefunden hatte, die katholische Religion im Hintergrund blieb und wo der Großteil der Bevölkerung dem Utraquismus anhing; auch die illegale Brüderunität hatte ihre Befürworter, zudem hatte mit der Entstehung und Verbreitung der Reformation das aus dem Reich kommende Luthertum bzw. der Kalvinismus allmählich eine wichtige Rolle erlangt.

Die komplizierte Religionssituation war Quelle zahlreicher Konflikte, die im Ständeaufstand des Jahres 1618 kulminierten und zwei Jahre danach zur Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg führten, die für die böhmischen Länder fatale Folgen hatte. Ein Bereich, in dem dies zu Tage trat, war eben auch die Rekatholisierung.

Der historische Hintergrund und Forschungsgegenstand „Rekatholisierung“ in Böhmen und Mähren

Bemühungen um eine konsequente „katholische Reform“ bzw. „Rekatholisierung“ waren zwar in Böhmen bereits mehr als fünfzig Jahre zuvor vermehrt aufgetreten – vor allem im Zusammenhang mit der Ankunft des Jesuitenordens in Prag (1556) und der Erneuerung des Prager Erzbistums (1561). Der erfolgreichen Vollendung der Aufgabe stellten sich jedoch verschiedene Hindernisse, vor allem politischer Art, in den Weg. Nach und nach wurde deutlich, dass in den böhmischen Ländern eine vollständige Rekatholisierung nicht ausschließlich mit religiösen Mitteln erreicht werden kann und dass eine radikale Änderung erst nach einem machtpolitischen Eingriff eintreten würde – für den jedoch erst geeignete Bedingungen entstehen oder geschaffen werden mussten. Die Gelegenheit hierzu bot gerade das Ergebnis der Schlacht am Weißen Berg. Der Sieg der kaiserlichen Armee über das Heer der Ständeopposition verschaffte der eng mit dem Herrscherhaus verbundenen katholischen Kirche die Möglichkeit, auch in Böhmen in größerem Ausmaß intensiv und systematisch gegen die nichtkatholische Bevölkerung vorzugehen, die im Lande – trotz der früheren Bemühungen – in der absoluten Überzahl war.

Schlacht am Weißen Berg

Schlacht am Weißen Berg

Gleich nach der Schlacht am Weißen Berg wurden verschiedene gewaltsame Formen angewandt, wie zum Beispiel das Ausweisen von nichtkatholischen Geistlichen, die Beschränkung der Rechte von Nichtkatholiken, direktes Eingreifen des Heeres in den königlichen Städten oder das Entstehen von Rekatholisierungskommissionen. Laut der neuen Landesverfassung, der sogenannten„Verneuerten Landesordnung“ aus dem Jahre 1627 (in Mähren 1628), war der Katholizismus die einzige erlaubte Religion. Dies führte zusammen mit dem Erlass des Rekatholisierungspatents zur umfangreichen Emigration, vor allem aus den Reihen des nichtkatholischen Adels.

Einer konsequenten Durchführung der Rekatholisierung, besonders der Untertanen, stand dabei nicht nur die Kriegssituation im Wege, die verschiedene Umschwünge mit sich brachte. Ein entscheidender Faktor war aber vor allem der deutliche Mangel an katholischen Geistlichen, der im ganzen Lande spürbar war und den man angesichts der sprachlichen Barriere zumeist auch nicht durch das Einladen von Ausländern lösen konnte.

Die Situation in den Pfarreien

Viele Pfarreien und Kirchen blieben somit leer, ihr Eigentum und ihre Einkünfte befanden sich in fremden Händen, in einige Kirchen wurde eingebrochen. In manchen Gegenden wirkten Ordensmissionare, vor allem Jesuiten, auf die Untertanen ein, aber auch sie hatten üblicherweise nur mäßigen und vorübergehenden Erfolg. Sie stießen auf das Misstrauen der Untertanen sowie auf den althergebrachten Konservativismus. Unangebrachtes Auftreten rief mitunter Widerstand hervor, der bisweilen auch von den nichtkatholischen Grundherren, ihren Beamten sowie von evangelischen Predigern angeregt wurde, die weiterhin heimlich, vor allem an entlegenen Orten, tätig waren. Auch dank ihnen hofften viele Nichtkatholiken weiterhin auf eine definitive Niederlage der Habsburger und eine darauffolgende Erneuerung der protestantischen Religionen. Diese Hoffnungen wurden auch durch verschiedene Prophezeiungen und „wunderbare Erscheinungen“ bestätigt.

Eine weitere Etappe der Erneuerung der katholischen Religion in Böhmen konnte daher erst nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und nach dem Abschluss des Westfälischen Friedens einsetzen, der die definitive internationale Anerkennung des Rechts der Habsburger auf Rekatholisierung der gesamten Monarchie nach dem Prinzip „cuius regio, eius religio“ mit sich brachte und das Ende der protestantischen Hoffnungen auf eine radikale Änderung der Verhältnisse bedeutete. Obwohl zu Beginn wiederum verschiedene gewaltsame Methoden eingeführt und angewandt wurden, zeigte sich zunehmend, dass sie nur eine geringe und oft nur formelle Wirkung haben und dass sie zu nichts führen.

Neben den staatlichen Behörden, die ihre Verordnungen nach und nach mäßigten, gelangten auch einige Vertreter der Kirche, mit Erzbischof Harrach an der Spitze, zu der Erkenntnis, dass die Bekehrung der Nichtkatholiken nicht auf einmal und unter Anwendung von verschiedenen drastischen Mitteln zu erreichen sei, sondern nur durch langfristige, alltägliche und gewaltlose Tätigkeit der Kirche (einschließlich der gründlichen Katechese), für die jedoch Voraussetzungen geschaffen werden mussten – hierbei konnte (und sollte) die weltliche Macht behilflich sein. Zu einem Mittel der erfolgreichen Vollendung der Rekatholisierung wurde somit vor allem das Festigen der Kirchenverwaltung und -organisation sowie die intensive Tätigkeit einer ausreichenden Anzahl von Seelsorgern. Vorrangig war also die Vervollständigung und Ausweitung des Netzes von Pfarreien, dessen Fundament die sogenannten Vikariate waren, die damit zusammenhängende materielle Absicherung der Pfarreien durch Patronatsherren und die Ausbildung einer ausreichenden Anzahl von gebildeten katholischen Geistlichen.

Die nachfolgenden langsamen, aber systematischen Bemühungen der katholischen Kirche, ergänzt durch größere oder kleinere Unterstützung seitens der Grundherren, aber auch gewissermaßen durch den Generationswechsel bedingt, trugen nach und nach Früchte. Dies spiegelt sich einerseits in den sogenannten Beichtverzeichnissen wider, die in der Prager Erzdiözese nach vorherigen partiellen Aktivitäten ab 1671 systematisch geführt wurden, andererseits auch in einer weiteren höchst interessanten Quelle, in den sogenannten Pfarrerberichten aus dem Jahr 1677.

Die Pfarrerberichte (relationes parochorum) enthalten Antworten auf 42 vorgegebene Fragen, deren Beantwortung durch das erzbischöfliche Konsistorium aufgrund von einem der sogenannten Herbstpatente (patentes autumnales) des Erzbischofs Johann Friedrich von Waldstein (1642–1694, Erzbischof 1675–1694) vom 18. November 1676 angeordnet wurde, und zwar unter anderem im Zusammenhang mit der Reorganisierung des Umfangs der Vikariate. Die Ausarbeitung der Antworten und somit eines Berichts über den Zustand des Benefiziums (relationes) war für jeden Pfarreiverwalter obligatorisch. Er übergab sie dem Vikar – seinem Vorgesetzten und Verwalter des Vikariats. Die Berichte der einzelnen Vikariate, die in der Sprache ausgearbeitet wurden, die auch in der Kirchenverwaltung jener Zeit üblicherweise verwendet wurde, also in Latein, wurden danach ans Konsistorium gesandt, wo sie jeweils zu einem einzigen Band zusammengebunden wurden. Das System der Vikariate entsprach der Aufteilung Böhmens in Kreise, daher werden die Bände aus den einzelnen Vikariaten der jeweiligen Kreise nebeneinander aufbewahrt. So entstand der heute umfangreiche Bestand „Berichte der Pfarrer“ des Archivs des Prager Erzbistums (Archiv pražského arcibiskupství), der im Nationalarchiv (Národní Archiv) in Prag aufbewahrt wird und den Titel „Zprávy farářů (Relationes parochorum ad 42 rubricas propositas) 1677“ trägt (NA, APA I, B 11/7 – B 13/4). Es handelt sich um eine außerordentlich interessante Quelle.

Wie also lauteten die bereits erwähnten Fragen?

Der einführende Teil zielte auf die Feststellung von grundlegenden Informationen ab: Bezeichnung der Lokalität, Patrozinium, Name des Patronatsherren, Anzahl eventueller weiterer Pfarr- oder Filialkirchen und Anzahl der eingepfarrten Dörfer und der dortigen Seelen. Eine weitere Gruppe von Fragen betraf die Einkünfte und die Verwaltung der Kirche. Unter heutigem Aspekt sind jene Fragen von großem Interesse, die sich nach dem Bau und der Ausstattung der Kirche erkundigen, aber auch nach der Existenz verschiedener Kapellen, der Aufbewahrung des Allerheiligsten Sakraments, der Sorge für die Schlüssel zum Tabernakel, der Sorge für die Sakristei, die Paramente und weiteres Kirchengerät, nach der Anzahl und Weihung der Altäre, dem Friedhof, den Glocken und eventuellen Hospizen. Auf den Grad der Religiosität der Gemeindemitglieder zielten Fragen ab, die sich nach dem Bestehen von frommen Bruderschaften, Stiftungen oder frommen Legaten erkundigten. Man vergaß auch nicht, nach der Existenz von wundertätigen Bildern oder Skulpturen zu fragen, nach Prozessionen, Wallfahrten und Ablässen. Ein weiterer Teil der Fragen betraf die Einkünfte des Pfarrers, die Einbeziehung der Laien, die Existenz von Verzeichnissen der Kircheneinkünfte, verlassene Kirchen und die dazugehörigen Einkünfte.

Aus den Antworten kann man auch erfahren, wie das Pfarrhaus und die eigentliche Wohnung des Pfarrers aussahen, ob zur Pfarrei eine Schule gehörte, wer die Lehrer ernannte, welche Einkünfte der Lehrer hatte, ob er das Glaubensbekenntnis ablegen musste und ob der Pfarrer, und wenn ja, wie häufig und mit welchem Ergebnis, die Schule visitierte. Sehr interessant sind auch die letzten beiden Fragen, die sich nach der Anzahl von Nichtkatholiken erkundigten, aber auch nach der Anzahl von unvermählten Paaren, Konkubinen oder anderen „Anstoß erregenden“ Personen.

Pfarrbericht Prácheň region letzte Seite.

Pfarrbericht Prácheň region letzte Seite.

Den Antworten auf diese Fragen, die an die Pfarrer, also an die Verwalter der einzelnen Benefizien, gerichtet waren, sollte noch ein zweiter Teil folgen, der die Vikare betraf. Diese sollten emotionsfrei die persönlichen Qualitäten ihrer Untergebenen und deren Ausübung des Priesterberufs beurteilen. Diese Dokumente sind aber nur sehr fragmentarisch überliefert – vielleicht auch deshalb, weil diese Informationen verborgen bleiben sollten.

Die Fragebögen und vor allem die ausgearbeiteten Antworten sind somit sehr wertvolle Dokumente, die äußerst detaillierte Informationen über die Zustände in der Erzdiözese zur Zeit der bereits relativ fortgeschrittenen Rekatholisierung bieten. Unter dem Aspekt der Kirchenverwaltung und der Diplomatik bedeuten sie zudem den Höhepunkt der Entwicklung der Visitationsdokumente des 17. Jahrhunderts in der Prager Erzdiözese, an deren Anfang Weisungen gestanden hatten, die für die Visitatoren der Erzdiözese in den Jahren 1629–1630 herausgegeben worden waren. Aufgrund der bereits gesammelten Erfahrungen konnten allmählich partielle Anpassungen vorgenommen werden, die dann der Umfrage ihr definitives Aussehen verliehen.

Bereits aus der kurzen Auflistung der Fragen geht hervor, dass die Pfarrberichte aus dem Jahr 1677 in vielerlei Hinsicht eine sehr interessante Quelle sind. Es handelt sich zwar um Dokumente, die für den internen Gebrauch der Leitung der Prager Erzdiözese entstanden waren und in denen sich die Sichtweise ihres hierarchisch untersten Bestandteils, nämlich des Pfarrklerus, widerspiegelt. Dennoch (oder gerade deshalb) bieten sie gleich mehrere Möglichkeiten der Verwendung und Aufarbeitung. Die Informationen aus den Berichten kann man nicht nur für das Studium der Entwicklung der Kirchenverwaltung und der einzelnen Benefizien, für die Verfolgung der Größe der Pfarreien, die Beantwortung der Frage nach Einbeziehung der Patronatsherren, die Übersicht über die Einkünfte und über die materielle Absicherung der Kirchen und über die Situation der Seelsorger verwenden, sondern man kann sie auch unter weiteren Aspekten auswerten. Allein schon die Informationen über die Größe der Pfarreien bzw. über die Anzahl der Seelen in den eingepfarrten Dörfern sind mit Blick auf die Bevölkerungsgeschichte von Bedeutung. Einen sehr wertvollen Bestandteil der Berichte bilden die Antworten auf Fragen, die von der Baugeschichte zeugen – vom damaligen Aussehen der Kirche, ihrer Ausstattung, von den Kapellen, Glocken u. ä., wobei es sich oft um völlig unersetzliche und anderswo nicht zu findende Angaben handelt, die heute auch unter dem Aspekt des Denkmalschutzes und der Kunstgeschichte von Bedeutung sind. Für die Kulturgeschichte, die Anthropologie und die Ethnologie sind Informationen über die Existenz von religiösen Bruderschaften, wundertätigen Skulpturen und Bildern oder von Wallfahrten interessant sowie auch solche über das Vorkommen von Nichtkatholiken oder weiteren „problematischen“ Personen – obwohl man die Berichte gerade im letztgenannten Falle mit einem gewissen kritischen Abstand betrachten muss und nicht vergessen darf, wer die Antworten geschrieben hat und inwiefern es in seinem Interesse war, „Schwachstellen“ in dem von ihm verwalteten Benefizium zu gestehen. Als eine nahezu unersetzliche Informationsquelle erweisen sich die Pfarrerberichte im Zusammenhang mit dem Schulwesen – für viele Lokalitäten erscheint die erste Information über das Vorhandensein einer Schule gerade in dieser Quelle. Auch hier gilt aber, dass sich – trotz der einheitlichen Vorgabe und der Weisung, dass die Vikare die jeweiligen Berichte (am besten bei Visitationen) überprüfen sollten – das Niveau und die Tiefe der Antworten der einzelnen Pfarrer voneinander unterscheiden und dass die Berichte mit einem unterschiedlichen Maß an Sorgfalt ausgearbeitet sind. Dabei kann auch eine Rolle gespielt haben, dass die Antworten – wie bereits erwähnt – konsequent in Latein ausgearbeitet sind, wobei nicht alle Geistlichen die gleichen Lateinkenntnisse hatten. Während diejenigen, die gut Latein konnten, sehr akribisch und eloquent antworten konnten, beschränkten sich andere nur auf knappe Äußerungen. Tschechisch oder Deutsch kommt nur in einigen präzisierenden Ausdrücken vor, oder aber vor allem in den Anlagen, in denen oft detaillierte Listen des Kircheninventars und des Kirchenschatzes, der Einkünfte der Kirche bzw. der Pfarrei, Verzeichnisse der Zehnten, der Pfarrgrundstücke mit ausgesätem Getreide und dgl. stehen.

Einen sehr ähnlichen Charakter hat auch eine weitere Quelle, diesmal aus dem Jahr 1700, nämlich die „Antworten der Pfarrer“ – „Odpovědi farářů“ (Responsa ad 42 puncta a consistorio archiepiscopali proposita, APA I, B 13/5 – B 14/17). Trotz einer anderen Bezeichnung handelte es sich im Prinzip um das gleiche Unterfangen, das in diesem Falle im Rahmen der Frühjahrspatente (patentes vernales) des Erzbischofs Johann Joseph von Breuner (1641–1710, Erzbischof 1695–1710) vom 31. Mai 1700 angeordnet wurde, als das Konsistorium mittels der Vikare ebenfalls 42 Fragen versandte. Ihr Inhalt und somit auch ihre Aussagekraft sind ähnlich und ermöglichen daher auch Vergleiche.

Trotz der erwähnten Aussagekraft der Berichte (und der Antworten) wurde ihnen erstaunlicherweise in der tschechischen Historiografie bislang keine größere Aufmerksamkeit gewidmet. Am häufigsten wurden sie – logischerweise – für die Erkundung der Situation auf einem bestimmten Territorium verwendet – sei es nun anhand der damaligen Verwaltungsstruktur (Herrschaft, Vikariat) oder anhand der heutigen (Landkreise). Nur ein kleiner Teil der Arbeiten hat sich bislang auf einige der oben erwähnten thematischen Bereiche konzentriert oder hat die Berichte für die Untersuchung von religiösen Bruderschaften, wundertätigen Skulpturen und Bildern oder von verlassenen Kirchen im Rahmen der gesamten Erzdiözese verwendet.

Obwohl dieses Quellenmaterial sehr interessant ist, ist es bislang noch nicht ediert worden, nicht einmal zum Teil. Daher sind gerade diese Dokumente im Unterricht des Magisterstudiengangs Archivwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität Budweis (Filozofická fakulta Jihočeské univerzity v Českých Budějovicích) verwendet worden. Im Curriculum dieses Studiengangs steht auch das Fach „Editionsarbeit“, in dem die Studierenden lernen, verschiedene Quellen zu edieren –  Quellen in verschiedenen Sprachen und aus verschiedenen Epochen. Es handelt sich um fortgeschrittene Studierende, Absolventen des Bakkalaureatsstudiums, die bereits Paläographie, Alttschechisch, Deutsch und Latein beherrschen, daher kann man ihre Kenntnisse nutzen. Ziel ist es, nicht nur die Transliteration des Textes zu erlernen, sondern vor allem die Transkription mit ihren spezifischen Regeln – obwohl einige Studierende bereits im Rahmen ihrer Bakkalaureatsarbeit gewisse Erfahrungen mit der Erschließung von Texten durch Editionen gesammelt haben. Studierende, die sich bei der Ausarbeitung ihrer Seminararbeit (die für das Erhalten eines Testats notwendig ist) bewähren, können zudem in das Forschungsprojekt aufgenommen werden, das der Edierung der Pfarrberichte gewidmet ist und durch die Fördermittelagentur der Südböhmischen Universität (Grantová agentura Jihočeské univerzity) gefördert wird. Das bedeutet, dass sie für ihre Arbeit auch finanziell entlohnt werden.

Wie bereits gesagt, wurden die Antworten auf die 42 Fragen durch die geistlichen Verwalter der einzelnen Benefizien ausgearbeitet und von den Vikaren als den Vertretern der Kirchensprengel, der Vikariate, gesammelt, was mit der Einteilung Böhmens in Kreise zusammenhing. Als die Berichte von 1677 entstanden, war das Königreich Böhmen in 16 Kreise eingeteilt, von denen aber zwei Kreise nicht zur Prager Erzdiözese gehörten: in den Kreisen Hradecký (Königgrätz) und Litoměřický (Leitmeritz) wurden nämlich angesichts der komplizierten Situation und der hohen Anzahl von Nichtkatholiken in den Jahren 1655 bzw. 1664 selbständige Bistümer gegründet. Zur Prager Erzdiözese gehörte auch das Gebiet von Glatz (Kłodzko), das einen eigenständigen Kreis bildete.

Die übrigen Kreise waren die Kreise Bechyňský (Bechin), Plzeňský (Pilsen), Rakovnický (Rakonitz), Slánský (Schlan), Žatecký (Saaz), Loketský (Elbogen), Boleslavský (Bunzlau), Čáslavský (Tschaslau), Chrudimský (Chrudim), Kouřimský (Kaurzim), Vltavský (Moldau), Podbrdský (Brdy-Vorland) und Prácheňský (Prachin) – siehe die Abbildungen der Originale (Anm. der Redaktion).

Wappen des Erzbistums Prag

Wappen des Erzbistums Prag

 

Als der Unterricht des Faches „Editionsarbeit“ begann, lief das erwähnte Forschungsprojekt noch nicht und der Unterricht hatte eher experimentellen Charakter. Das Forschungsprojekt wurde gestartet, nachdem sich die Arbeit mit den Studierenden bewährt hatte und man die Fortsetzung dieser Tätigkeit in einem längerfristigen Horizont erwägen konnte. Als erste Region wurde logischerweise Südböhmen gewählt, also der Kreis Bechin, der 1677 aus insgesamt 5 Vikariaten bestand. Die Studierenden erschließen dabei nicht die im Národní archiv in Prag aufbewahrten Originale, sondern arbeiten mit Digitalisaten, was natürlich auch ein leichteres Lesen der Texte ermöglicht. Voraussetzung für die Vorbereitung der Edition war natürlich zunächst das Festlegen der Editionsregeln, die im Laufe der Arbeit angesichts einiger spezifischer Phänomene in einzelnen Vikariaten nur leicht modifiziert wurden.

Da es sich um lateinische Texte handelt, sind die Editionsregeln relativ einfach: in solchen Fällen wird transliteriert, die Abkürzungen werden natürlich in eckigen Klammern aufgelöst und eventuelle später hinzugeschriebene Passagen werden gekennzeichnet. Gekennzeichnet werden auch eventuelle unlesbare Teile des Textes. Jeder Bericht muss auch mit einer Kopfzeile versehen werden, in der grundlegende Informationen über die Bezeichnung der Lokalität, die Art des Benefiziums (Pfarrei, Dechanei), Ort und Datum der Ausstellung des Berichts und der Umfang des Berichts vermerkt sind (also auf welchen Folios der jeweilige Bericht im Rahmen des Bandes steht, in den die Berichte aus dem jeweiligen Vikariat nachträglich eingebunden und mit Foliierung versehen wurden) bzw. Informationen über das Vorhandensein eines Siegels.

Die Studierenden haben auch zur Aufgabe, die einheitliche formale Einrichtung der Edition einzuhalten und die Personen- und Lokalitätenbestimmung und eventuelle Sekundärliteratur in den Fußnotenapparat aufzunehmen, ein Verzeichnis der Lokalitäten für das Ortsregister zu erstellen und im Rahmen des Seminars auch einen selbständigen Editionsvermerk zu schreiben (dies entfällt natürlich bei der Arbeit am Forschungsprojekt, da dort ein summarischer Editionsvermerk für das ganze Vikariat bzw. für den ganzen Kreis ausgearbeitet wird). Es werden die einzelnen Berichte ediert, also die Antworten auf die 42 Fragen (ohne die eigentlichen Fragen, falls diese im Bericht enthalten sind). Eventuelle Anlagen werden nicht ediert – vor allem wegen ihres sehr unterschiedlichen Umfangs und Charakters aber auch wegen des unterschiedlichen Vorkommens: während einige Seelsorger gleich mehrere Anlagen wie z. B. Inventare und Ähnliches hinzufügten, fehlen solche Schriftstücke in anderen Berichten gänzlich. Falls aber solche Anlagen vorhanden sind, werden sie in der Kopfzeile kurz verzeichnet, wobei Datierung und Inhalt, Sprache und Umfang angeführt werden.

Der aktuelle Stand der Editionsarbeiten sieht zurzeit folgendermaßen aus: Erschlossen sind die Kreise Bechin (fünf Vikariate), Prachin (drei Vikariate) und Moldau (ein Vikariat) und sie dürften bald in Druck erscheinen.

Es erfolgt nun die Vorbereitung der Edition des ersten Vikariats des Kreises Pilsen. Die Arbeit der Studierenden muss natürlich von den Lehrkräften überprüft werden, die edierten Texte werden auch von einem Fachmann für altes Latein revidiert (vor allem, was die richtige Auflösung der Abkürzungen anbelangt). Das Projekt wurde erneut im Rahmen der Universität gefördert und kann somit fortgesetzt werden, es wird auch perspektivisch nach einer möglichen Beschleunigung der Erschließung und Herausgabe der Editionen weiterer Kreise gesucht. Im Idealfall soll danach die Vorbereitung der Edition der Antworten auf die Fragen des Konsistoriums aus dem Jahre 1700 erfolgen.

Literatur:

Jiří MIKULEC, „Piae confraternitates“ v pražské arcidiecézi na sklonku 17. století. In: FHB 15, 1991, s. 269–342.

Jiří MIKULEC, Náboženská bratrstva v Čechách. Praha 2000.

Marie RYANTOVÁ, Fary pod patronátem kláštera ve Zlaté Koruně na konci 17. a na začátku 18. století. In: Klášter Zlatá Koruna – dějiny, památky, lidé, České Budějovice 2007, s. 79–89.

Václav RYNEŠ, Málo využitý pramen vlastivědného poznání. (Farářské relace z let 167677 a 17001701). In: Acta regionalia 1, 1965, s. 106–113.

Václav RYNEŠ, „Imagines miraculosae“ doby pobělohorské. In: Český lid 54, 1967, s. 182–193.

Pavla STUCHLÁ, Prachatický vikariát 1676–1750. Vybrané otázky církevní správy. Praha 2004.

Martin ZEMAN, Možnosti využití farářských relací jako pramene pro historicko-demografická studia (Pokus o rekonstrukci početního stavu populace Prácheňského kraje v poslední čtvrtině 17. a na počátku 18. století). In: Historická demografie 25, 2001, s. 65–83.

Martin ZEMAN, Prácheňsko ve světle farářských relací. Církevní správa a náboženský život na přelomu 17. a 18. století. In: JSH 72, 2003, s. 14–34.

Die Abbildungen basieren auf den Fotos der Autorin.

Ph.D. Marie Ryantová works since 2005 as associate professor (or senior lecturer) at the University of the South Bohemia, Faculty of Philosophy; since 2006 she is Head of the Institute of Archival Science and Auxiliary Historical Sciences in this Faculty.


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